Ist die liberale Demokratie die beste aller möglichen Welten?
Ulrike Ackermann und Bernd Ladwig im Gespräch mit Simone Miller
Diskussion am 18.12.2016, 13.05h im Philosophie-Magazin Sein und Streit zum Thema „Utopien und liberale Demokratie in der Krise“
Deutschlandradio Kultur
Das „Ende der Geschichte“ ist nicht gekommen. Stattdessen erstarken Kräfte, die der Demokratie feindlich gesonnen sind. Dieses Modell hat seine Versprechen teilweise nicht eingelöst – wo liegen die Defizite? Darüber diskutieren die Politologen Ulrike Ackermann und Bernd Ladwig.
Ja, die liberale Demokratie ist nach Überzeugung der Heidelberger Politologin Ulrike Ackermann das beste aller Gesellschaftsmodelle. Allerdings müsse gerade jetzt, da oft vom „postliberalen Zeitalter“ die Rede sei, der Rahmen dieser politischen Ordnung gestärkt werden:
„Es ist der Rechtsstaat, es ist die soziale Marktwirtschaft, es sind aber vor allen Dingen individuelle Rechte, in denen das Individuum geschützt wird und im Zentrum steht − im Unterschied zu allen möglichen Ideologien und auch Träumen, die auch wieder hier und dort auf der Welt groß werden, die das Heil (…) im Kollektiv sehen.“
Mit der repräsentativen Demokratie gebe es Instrumentarien, die „jeglichen unmittelbaren volksherrschaftlichen Vorstellungen überlegen“ seien. Angesichts erstarkender populistischer Kräfte müsse man sich klar darüber sein, „dass nicht nur die Geschichte der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie, sondern auch so, wie sie bei uns wirkt, sehr wohl unser Leben schützt und sehr wohl der Garant für Freiheit ist“.
Die These Francis Fukuyamas, wonach mit der liberalen Demokratie das Ende der Geschichte erreicht sei, nennt Ackermann einen Irrglauben. Zwar habe es 1989 so ausgesehen, als würde sich weltweit dieses Modell durchsetzen. Doch mit Entwicklungen wie beispielsweise dem „Neokolonialismus“ des russischen Präsidenten Putin habe man nach dem Kalten Krieg nicht mehr gerechnet:
„Das stellt natürlich auch unser Gesellschaftsmodell vor neue Herausforderungen. Aber das ist ja Bestandteil genau dieser (…) Regierungsform: dass man sich immer wieder neu damit auseinandersetzt, wie man diese (…) Regierungsform auch weiterentwickeln und verbessern kann.“
Wenn direkte Demokratie rückschrittlich wirkt
Ulrike Ackermanns Berliner Kollege Bernd Ladwig stimmt ihr grundsätzlich zu. Er sieht die Gesellschaft gegenwärtig in einer eigentümlichen Situation:
„Wir hätten früher, glaube ich, mit der liberalen Demokratie nie den Begriff Utopie in Verbindung gebracht, sondern hätten immer gesagt: Die liberale Demokratie ist der mehr oder weniger selbstverständliche Ausgangszustand, von dem man aus dann ganz andere Ordnungen vielleicht jenseits jeder Herrschaft ins Auge fasst.“
Heute würden sich Alternativen wie die direkte Demokratie in „wichtigen Hinsichten als rückschrittlich“ erweisen − etwa in Bezug auf Minderheitenschutz und Vielfalt in der Gesellschaft: „Wir lernen heute auf schmerzhafte Weise die Unverzichtbarkeit der Verbindung von demokratischen Teilnahmemöglichkeiten mit einer Rechtsstaatlichkeit, die ihren letzten Ankerpunkt in den Rechten jedes Menschen hat.“
Den US-Amerikaner Francis Fukuyama nimmt Ladwig indes vorsichtig in Schutz: Dieser habe sich als Hegelianer verstanden. Und im Hegelschen Sinne komme es nicht darauf an, was in der Geschichte passiere, sondern auf welchen Begriff sich Entwicklungen bringen ließen. Dann wäre die These:
„Wir haben in der Suche (…) nach zustimmungswürdigen politischen Ordnungsformen (…) eine Verbindung erreicht, zu der es zunächst einmal keine offensichtlich überlegene Alternative gibt. Das schließt überhaupt nicht aus, dass in der realen Geschichte sich ganz andere Kräfte durchsetzen.“