Artikel: Gegen die Zerstörung des Rechtsstaats in Polen, Perlentaucher
/0 Kommentare/in Artikel & Beiträge/von Frank SeelGegen die Zerstörung des Rechtsstaats in Polen
Am 4. Dezember 2017 war die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs der Republik Polen, Julia Przylebska, im Rahmen der Vortragsreihe „Think Europe – Europe thinks“ am Center for Applied European Studies (CAES) an der Frankfurt University of Applied Science zu Gast. Die Gegenrede zum Thema „Rechtsstaatlichkeit und demokratische Werte in Europa“ hielt Ulrike Ackermann, Direktorin des John Stuart Mill Institut für Freiheitsforschung. Es kam im Anschluss zu einer lebhaften Debatte, in die auch der polnische Botschafter in Deutschland, Andrzej Przylebska, Ehegatte der Präsidentin, eingriff. Die Gesetze zur Reform der polnischen Justiz sind inzwischen verabschiedet worden. Und der Streit mit der europäischen Union dürfte eskalieren: Laut Spiegel online wird die EU-Kommission, in der nächsten Woche wohl ein Rechtstaatsverfahren gegen Polen einleiten. Laut Peter Müller, Brüssel-Korrespondent des Spiegel wäre es „das erste Mal in der Geschichte der Gemeinschaft, dass ein Mitgliedstaat derart an den Pranger gestellt würde.“ D.Red.
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„Der Fortschritt ist ein Apfel, von dem schon Dostojewski und Nietzsche gewusst haben, dass er wurmstichig ist.“
„Jeder sollte dem intellektuellen Zweifel und dem Prinzip Hoffnung gleichermaßen verpflichtet sein.“
Diese zwei klugen Sätze stammen von Czeslaw Milosz, dem polnischen Dichter, der in jungen Jahren Kommunist gewesen war. In seinem großartigen Buch „Verführtes Denken“ (1953) geht er selbstkritisch mit sich und vielen Intellektuellen ins Gericht und analysiert akribisch die totalitären und autoritären Versuchungen, denen viele erlegen waren. Viele Jahre verbrachte er im französischen und amerikanischen Exil und kämpfte leidenschaftlich für die Freiheit.
1974 schrieb Milosz in einem Gedicht die Zeile „Ciemnogród to Polska“: „Polen ist eine dunkle Stadt“. Es war eine Kritik des Dichters an den Geschehnissen im kommunistischen Polen der Nachkriegszeit. „Ciemnogród“ stand für Rückständigkeit und Xenophobie, für den aus seiner Sicht übersteigerten Nationalstolz der Polen. Mehr als zwanzig Jahre lang lehrte Milosz als Professor im kalifornischen Berkeley Slawistik. Seine Gedichte waren in Polen verboten – bis er im Jahr 1980 überraschend den Nobelpreis für Literatur erhielt.
Das war die Zeit, in der die Freiheitsbewegung Solidarnosc in Polen die ersten Mauern zum Einsturz brachte – unterstützt von einem polnischen Papst in Rom. Das KOR, das Komitee zur gesellschaftlichen Selbstverteidigung, Vorläufer der Bürgerrechts- und Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc, hatte mutig die Initiative im Aufbegehren gegen den Kommunismus ergriffen. Die Bewegung war die Avantgarde der Friedlichen Revolutionen von 1989/90. Sie hat maßgeblich zum Ende des Eisernen Vorhangs und dem Fall der Mauer beigetragen.
Für Polen, ebenso wie für Ungarn und die Tschechoslowakei mit der Charta 77 und ihrer Samtenen Revolution war dies ein Sieg der Freiheit und Demokratie über den Kommunismus und zugleich die Rückkehr dieser Länder nach Europa. Auch wenn die Beitrittsverhandlungen während der sogenannten EU-Osterweiterung mühselig und teils frustrierend waren, war die Freude doch groß. Die Transformation von der kommunistischen Diktatur hin zu einer Demokratie mit funktionierenden Institutionen und Prozeduren, mit der Gewaltenteilung, mit einem Rechtsstaat, der die Freiheitsrechte garantiert und einhält, ist gerade in Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei in den ersten zehn Jahren erstaunlich zügig geglückt.
Denn alle drei Länder hatten vor dem Kommunismus schon die historische Erfahrung mit rechtsstaatlichen Strukturen gemacht. Seit 1989 pendelte der Schriftsteller Milosz zwischen Krakau und Berkeley hin und her, bis er sich schließlich im Jahre 2000 endgültig in Krakau niederließ. Der Katholik Milosz starb 2004 und es gab einigen Streit um seine Ehrung und Beerdigung. Nationalistische Kreise hielten ihn wegen seiner kosmopolitischen Orientierung, seiner Liberalität und Toleranz, unter anderem seinem Eintreten für gleiche Rechte für Homosexuelle für unpatriotisch.
Was würde ihm heute wohl entgegengehalten werden – wenn man an die wilden, Fackel schwingenden Horden denkt, sie sich jüngst am polnischen Unabhängigkeitstag auf Warschaus Straßen versammelten? Die Regierung ließ sich angesichts dieses Aufmarsches von Rechtsradikalen Zeit, um sich davon zu distanzieren. Und was würde der Freiheitsliebende, antitotalitäre Denker und Literat Milosz sagen, angesichts dieser europaweiten rechtspopulistischen Bewegungen, dem Erstarken eines neuen Autoritarismus und dem Umsichgreifen eines regelrechten Antiliberalismus?
Rechtsstaatlichkeit ist einer der grundlegenden, gemeinsamen Werte der Europäischen Union. Sie ist in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union verankert, der lautet:
„Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“
Ausgerechnet Ungarn und Polen, ehemals Vorreiter im Aufbau des Rechtstaats nach dem Sieg über den Kommunismus, sind jetzt Vorreiter im Abbau des Rechtsstaats. Polens Regierung hält offensichtlich wenig von der Gewaltenteilung und hebt sie sukzessive auf. Schon gleich nach dem Regierungsantritt von Ministerpräsidentin Beata Szydlo im November 2015 machte sich die von Jaroslaw Kaczynski geführte Partei Recht und Gerechtigkeit (die PiS) an den Umbau des Verfassungsgerichts. Im Zuge der Neuordnung wurden drei von der Vorgängerregierung ernannte Verfassungsrichter von der neuen Regierung nicht anerkannt und dafür eigene Kandidaten gewählt, was später jedoch vom Verfassungstribunal sowie der Europäischen Kommission für verfassungswidrig befunden wurde. Die Reform des Verfassungsgerichts gipfelte in der Entlassung des Vorsitzenden Andrzej Rzeplinski am 19. Dezember 2016 und zwei Tage später der Berufung von Julia Przylebska, (die der PiS nahesteht). Im weiteren Verlauf wurden alle Staatsanwaltschaften, auch auf regionaler Ebene, direkt dem Justizminister unterstellt, der somit in alle Verfahren eingreifen kann (obwohl doch 2009 die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft eingeführt wurde).
In diesem Jahr brachte die rechtskonservative Regierung weitere Justizreformen auf den Weg. Ein anderes Gesetzesvorhaben betraf den Landesjustizrat (KRS, ein Gremium aus Richtern), ein Verfassungsorgan zur Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz, das Kandidaten für Richterämter ernennt. Von den 25 Mitgliedern des KRS wurden bisher 15 durch die Standesorganisationen der Richterschaft gestellt. Das soll sich jetzt ändern: Sie sollen, so der Wunsch der PiS, künftig vom Parlament gewählt und die Amtszeit der jetzigen KRS-Mitglieder verkürzt werden.
Präsident Andrzej Duda legte zwar ein Veto ein, indem er durchsetzte, nicht nur eine einfache sondern eine Dreifünftelmehrheit für die Ernennung der Richter zugrunde zu legen. Inzwischen sind die sogenannten Reformen verabschiedet. Auch der Oberste Gerichtshof, vergleichbar etwa dem deutschen Bundesgerichtshof, ist von politischer Einflussnahme berührt, nachdem er Recht sprechen wollte. Duda hatte kurzerhand den führenden PiS-Politiker Mariusz Kaminski, der wegen schwerwiegender Vorwürfe in einem Berufungsverfahren steckte, begnadigt – noch bevor das Urteil gesprochen werden konnte. Politisches Ziel dieser Intervention war es, dass Kaminski quasi „unbescholten“ den Posten des Geheimdienstkoordinators in der Regierung übernehmen konnte.
Offensichtlich folgt Kaczynski mit dieser Politisierung der Gerichtsbarkeit seinem ehemaligen Juraprofessor Stanislaw Ehrlich. Bevor dieser in Polen Karriere machte, kämpfte er 1945 in wichtiger politischer Funktion an der Seite der Roten Armee in der kommunistischen polnischen Berling-Armee. Sein Motto: das Recht unterliegt dem politischen Willen. Machiavelli und Carl Schmitt sind die großen Vorbilder Kaczynskis. Die PiS-Regierung ist sehr erfolgreich darin, die Justiz ihrer Parteipolitik zu unterwerfen. Sie ist davon überzeugt, damit dem Volke zu dienen, indem sie sozusagen „dem Volk“ die Justiz zurückgibt.
Unbestritten ist, das das polnische Justizsystem eine Reform gut gebrauchen könnte. Denn auch die liberale Vorgängerregierung hat vor den Parlamentswahlen, in denen die PiS siegte, Richter vor der abgelaufenen Frist gewählt. Doch wie Jaroslaw Kaczynski zu behaupten, zum Beispiel der Oberste Gerichtshof sei eine Bastion des Postkommunismus gewesen, trifft nicht zu, denn nach 1989 wurden alle Richter neu gewählt.
Erstmalig in der Geschichte der EU leitete die EU Kommission ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit gegen einen EU Mitgliedsstaat ein. Darin richtete die Kommission an Polen inzwischen drei Empfehlungen zur Rechtsstaatlichkeit: am 27. Juli 2016, am 21. Dezember 2016, am 26. Juli 2017. In ihrer letzten Empfehlung ersuchte die Europäische Kommission die polnischen Behörden, insbesondere keine Maßnahmen zur Entlassung von Richtern des Obersten Gerichtshofs zu ergreifen oder diese dazu zu zwingen aus dem Amt zu scheiden. Wenn derartige Maßnahmen ergriffen werden, kann die Kommission mit sofortiger Wirkung das Verfahren nach Artikel 7 Abs. 1 auslösen. Auf die ersten beiden Empfehlungen hatten die polnischen Behörden keine Maßnahmen ergriffen, um die angesprochenen Missstände zu beseitigen.
Nun hat auch das Europäische Parlament im November dieses Jahres eine Resolution verabschiedet, die den Innenausschuss beauftragt, wesentliche Verletzungen der europäischen Grundwerte auf Seiten Polens aufzulisten. Im September 2018 soll auf dieser Basis abgestimmt werden, ob ein Verfahren nach Artikel 7 eingeleitet wird. Zunächst enthält der erste Absatz des Artikels eine Warnung durch die EU und eine Empfehlung durch den Rat der EU mit der Aufforderung, „auf den rechten Weg zurückzufinden“. Die höchste Eskalationsstufe des Artikels ist die Feststellung, dass „eine schwerwiegende und anhaltende Verletzung“ vorliegt. Sie greift nur, wenn der Europäische Rat dies einstimmig befindet. In Einstimmigkeit kann die EU Sanktionen verhängen, bis hin zum Entzug des EU-Stimmrechts. Ein Stimmrechtsentzug auf Basis von Artikel 7 hatte es bislang noch nie gegeben. Und Ungarn wird, wie zu erwarten, dagegen stimmen, weil Premier Viktor Orban selbst ein Propagandist der sogenannten „illiberalen Demokratie“ ist: Meinungs- und Forschungsfreiheit (zum Beispiel der Umgang mit der von George Soros geförderten Central European University) und die Unabhängigkeit der Justiz sind in Ungarn ebenfalls bedroht.
Neben diesem Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit gegen Polen leitete die Europäische Kommission Ende Juli 2017 außerdem ein klassisches Vertragsverletzungsverfahren nach EU-Recht ein. Hauptbedenken in diesem Zusammenhang sind:
– Erstens die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, da ein unterschiedliches Mindestalter für den Ruhestand für Richterinnen (60 Jahre) und männliche Richter (65 Jahre) festgelegt wird. (Dies verstößt gegen Artikel 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und die Richtlinie 2006/54 über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeitsfragen.)
– Der zweite Einwand betrifft die Untergrabung der Unabhängigkeit der polnischen Gerichte, wenn der Justizminister ermächtigt wird, nach eigenem Ermessen die Amtszeit von Richtern, die das Ruhestandsalter erreicht haben, zu verlängern und Gerichtspräsidenten zu entlassen oder zu ernennen (siehe Artikel 19 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) in Verbindung mit Artikel 47 der EU-Grundrechtecharta).
Mitte September 2017 wurde seitens der Kommission die zweite Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens eingeleitet, aufgrund der polnischen Justizreform über die ordentlichen Gerichte. Sollten die polnischen Behörden nicht binnen einen Monats Maßnahmen ergreifen, kann die Kommission Klage vor dem EuGH erheben.
Der Rechtsstaat ist die zentrale Säule der Demokratie. Und rechtsstaatliche Standards müssen natürlich alle Mitglieder der EU entsprechend dem geschlossenen Vertrag einhalten: vom Schengener Abkommen und dem Stabilitätspakt bis zur nationalstaatlichen Ausgestaltung der Justiz. Die Aushöhlung des Rechtsstaats untergräbt die Demokratie. Beide sind Bedingungen dafür, dass die Bürger in Freiheit leben und ihre Freiheitsrechte ausschöpfen können. Es hat Jahrhunderte gedauert und bedurfte harter und blutiger Kämpfe, bis wir sie für uns in Europa erworben hatten.
Ende der siebziger Jahre gab es in Frankfurt ein „Komitee zur Verteidigung der Freiheit, der Meinung, der Wissenschaft und Kunst in Ost und West“. Wir waren damals der Überzeugung, dass trotz des Eisernen Vorhangs die Freiheit unteilbar ist. Ich fuhr auch nach Polen mit einem Koffer voller Samisdat-Literatur, die ich Dissidenten in Poznan, Krakau und Warschau ablieferte. Im Gegenzug erhielt ich als Kurier Manuskripte, die ich in den Westen schmuggelte und an die traditionsreiche und damals wichtige Exil-Zeitschrift Kultura in Paris weiterreichte. Es war eine Zeit, in der Dissidenten und deren Unterstützer gerne als „Störenfriede der Entspannungspolitik“ gegeißelt wurden, mit dem Verweis, Frieden sei wichtiger als Freiheit, und die Solidarnosc in Teilen der westlichen Öffentlichkeit als „fünfte Kolonne des Papstes“ verunglimpft wurde. Nun ja, es hat ja dann 1989 doch noch mit der Freiheit geklappt. Sie ist kostbar und fragil zugleich geblieben. Wir müssen sie in ganz Europa erneut und vehement gegen ihre Feinde verteidigen.
Ulrike Ackermann
URL dieses Artikels
https://www.perlentaucher.de/essay/ulrike-ackermann-ueber-die-gefaehrdete-demokratie-in-polen.html
Rechtsstaatlichkeit und demokratische Werte in Europa, 4.12.2017, Frankfurt University of Applied Sciences
/1 Kommentar/in Podiumsdiskussion, Veranstaltungen, Vorträge/von Frank SeelThink Europe – Europe thinks
Vortrag von Julia Przyłębska zum Thema „Rechtsstaatlichkeit und demokratische Werte in Europa“
Am 4. Dezember 2017 war die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs der Republik Polen Julia Przyłębska im Rahmen der Vortragsreihe „Think Europe – Europe thinks“ am Center for Applied European Studies (CAES) zu Gast. Die Gegenrede zum Thema „Rechtsstaatlichkeit und demokratische Werte in Europa“ hielt Prof. Dr. Ulrike Ackermann, Direktorin des John Stuart Mill Institut für Freiheitsforschung.
Präsident der Frankfurt UAS Prof. Dr. Frank E.P. Dievernich eröffnete den Abend mit Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union: „Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören.“ Er unterstrich, dass es auch gerade die Aufgabe einer Hochschule sei, diese Werte den Studierenden zu vermitteln.
Es folgte ein Grußwort des Geschäftsführenden Direktors des CAES, Prof. Dr. Dr. Michel Friedman, der betonte, dass Justiz immer politisch sei, sich dies jedoch von einer „politischen Justiz“ unterscheide. Die Rechtsstaatlichkeit, ein „zivilisatorischen Fortschritt“, sei keine innere Angelegenheit der einzelnen EU Mitgliedsstaaten. „Wenn wir die Rechtsstaatlichkeitsprinzipien innerhalb der eigenen Europäischen Union nicht mit allem Nachdruck verteidigen, wie sollen wir dann den Zeigefinger auf andere Länder richten wo Demokratie nicht mal mehr ein Wort ist“, so Friedman.
Die Hauptrednerin des Abends, Julia Przyłębska, betonte, dass sie sich als Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs der Republik Polen dafür einsetze, dass alle europäischen Werte anerkannt und akzeptiert werden. In Bezug auf die Justizreformen in Polen hob sie hervor, dass diese den „einfachen Bürgern“ helfen sollen, die beispielsweise aufgrund lang andauernder Verfahren das Vertrauen in die polnische Justiz verloren hatten. Der Europäischen Kommission warf Przyłębska vor, innerhalb des Rechtsstaatlichkeitsverfahrens, keine sachlichen Argumente zu formulieren.
„Ausgerechnet Ungarn und Polen, ehemals Vorreiter im Aufbau des Rechtstaats nach dem Sieg über den Kommunismus, sind jetzt Vorreiter im Abbau des Rechtsstaats“, so die Gegenrednerin Prof. Dr. Ulrike Ackermann. Ackermann beschrieb die sukzessive Aufhebung der Gewaltenteilung in Polen seit dem Regierungsantritt der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) im November 2015 sowie die Reaktion der Europäischen Institutionen darauf. Ackermann kritisierte die „Politisierung der Gerichtsbarkeit“ in Polen im Sinne einer Unterwerfung der PiS-Parteipolitik.
In der anschließenden Podiumsdiskussion zwischen der Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs und Prof. Ackermann eröffnete der Moderator Dr. Reinhard Müller (FAZ) mit der Frage an die Hauptrednerin, warum die EU ein Problem mit Polen habe. Przyłębska betonte, dass die Europäische Kommission kein Interesse habe die Stimme der Gegenseite anzuhören und forderte insbesondere Prof. Ackermann auf, für eine differenzierte Wahrnehmung der Situation, der polnischen Berichterstattung zu folgen. Ackermann stellte die Darstellung Polens als „Opfer einer Verschwörung“ sowie die der EU Kommission als eine Einrichtung von Politikern, die nach Zufälligkeit und persönlichen Interessen handle, in Frage. Auch hob die Gegenrednerin die Vorsicht der Europäischen Kommission positiv hervor, da ein Rechtsstaatlichkeitsverfahren, wie das gegen Polen, zum ersten Mal in der Geschichte der EU eingeleitet wurde. Przyłębska unterstrich, dass sie als Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs unabhängig sei und mit keiner politischen Partei sympathisiere und sie sehe keine konkrete Vorschrift, die die Politisierung der Justiz in Polen beweise. In ihren abschließenden Worten appellierte Ackermann nochmals an die EU Mitgliedstaaten sich an die Regelwerke im Rahmen des europäischen Einigungsprozesses und somit an gemeinsame Werte zu halten.
Bilder: Benedikt Bieber | Frankfurt UAS
Siehe auch den Beitrag:
»Gegen die Zerstörung des Rechtsstaats in Polen, Perlentaucher vom 15.12.2017«
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