Ulrike Ackermann„Das Schweigen der Mitte. Wege aus der Polarisierungsfalle“
Ulrike Ackermann hat ein unbequemes Buch geschrieben, eines, das zur Selbstreflexion anregt und natürlich auch zum Widerspruch. Und genau darauf kommt es ihr an, auf Dissens unter zivilisierten Bedingungen.
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- Die Politikwissenschaftlerin und Soziologin Ulrike Ackermann (privat (Fotografin: Tina Merkau) / wbg Theiss)
Ulrike Ackermann ist Politikwissenschaftlerin sowie Soziologin, und sie leitet das „John Stuart Mill Institut für Freiheitsforschung“. Sie schreibt über die Mitte, die angesichts zunehmender Polarisierung vor allem von rechts, aber auch von links schweige. Der Platz der politischen Mitte sei weitgehend verwaist, stellt sie fest und er sei geistig entleert. Auf die Frage, wie sie denn Mitte überhaupt definiere, erläuterte Ackermann, dies sei die Position, von der aus die freiheitliche Gesellschaft verteidigt werde, unabhängig von jeglicher Parteipolitik. Die Mitte stehe für Pluralität, für die Wertschätzung des Individuums gegenüber dem Kollektiv, sie setze sich für den Rechtsstaat ein sowie für funktionierende Institutionen. Diese gewachsene Ordnung, wie sie auch parteipolitisch repräsentiert gewesen sei durch Teile der SPD, der CDU und anderer Parteien, funktioniere nicht mehr.
Politik versuchte, Diskussionen klein zu halten
Ackermann bemängelt verhinderte Diskussionen und Tabuisierungen. Im Zusammenhang mit der Euro-Krise oder der Flüchtlingsbewegung sei die Diskussion weniger offen geführt worden, vielmehr habe die Politik versucht, sie möglichst klein zu halten. Das habe nicht nur die Ränder gestärkt, sondern auch den Mainstream verändert. Ein großer Fehler zur Aufstiegszeit der AfD sei zudem gewesen, diese zu dämonisieren und nicht mit ihren Vertretern zu sprechen. Dadurch sei der Mythos, man könne in diesem Land nicht mehr alles sagen, gewachsen. Umso wichtiger sei jetzt die offene Auseinandersetzung.
Die Autorin macht eine zunehmende Viktimisierung im gesellschaftlichen Austausch aus, d.h. immer mehr Opfergruppen äußerten sich, schilderten ihre Erfahrungen von Diskriminierung, Ausgrenzung, Gewalt. Es sei völlig legitim, dass sich Einzelne zusammenschlössen und gegen Diskriminierung aufbegehrten. Das Problem sei, dass einige dieser Gruppen Sonderrechte für ihr jeweiliges Kollektiv forderten. Im Grundgesetz seien jedoch individuelle Rechte und Freiheiten garantiert, keine kollektiven. Das habe seinen Grund in den Diktaturerfahrungen. Wenn Opfergruppen sich zudem auf ein Feindbild wie den alten weißen Mann festlegten, der über die Jahrhunderte bei der Kolonialgeschichte, beim Kapitalismus, bei der Globalisierung immer oben auf gewesen sei, habe das eine Form von Ideologisierung angenommen, die problematisch sei. Denn diese Gruppen neigten dazu, ihre kollektive Identität von der Mehrheitsgesellschaft abzusetzen. Das trage zu einer weiteren Spaltung bei.
Mehr Diskussionen im öffentlichen Raum und mehr Pluralität
Wichtig sei, dass wir künftig wieder mehr Debatten von Angesicht zu Angesicht führten, betonte Ackermann. Nur so könne man dem Verkommen der Diskurskultur begegnen, welche die Anonymität im Netz befördert habe. Und es brauche den Mut, in Debatten nicht permanent auf einen Konsens hinsteuern zu müssen, sondern Ambivalenzen, Widersprüche, Ungelöstheiten stehen zu lassen. Es brauche eine Pluralität der Positionen, auch innerhalb von Parteien und „Lagern“.
Ulrike Ackermann: „Das Schweigen der Mitte. Wege aus der Polarisierungsfalle“,
wbg Theiss, 206 Seiten, 22 Euro.