Sündenfall der Intellektuellen
Sündenfall der Intellektuellen
Ein deutsch–französischer Streit von
1945 bis heute
Ulrike Ackermanns Buch erzählt eine Episode unserer
jüngsten Geschichte, die dem kollektiven Gedächtnis zu
entgleiten droht. Auf dem 1950 gegründeten „Kongress
für kulturelle Freiheit“, dessen Entstehungs– und Wir-
kungsgeschichte anhand zeitgenössischer Quellen re-
konstruiert wird, fanden sich europäische Intellektuelle
zusammen, die sich in der Ablehnung der Totalitarismen
sowohl des Faschismus und Nationalsozialismus als auch
des Kommunismus einig waren. Für das Gros der franzö-
sischen Linksintelligenz jener Zeit stand fest, man müsse
die Sowjetunion und ihre „Errungenschaften“ um jeden
Preis verteidigen. Ereignisse wie die von Budapest
(1956) und Prag (1968) sowie der „Gulag–Schock“ der
70er Jahre öffneten ihnen jedoch die Augen. Französi-
sche Intellektuelle begannen einen intensiven Austausch
mit den Dissidenzbewegungen Osteuropas und unter-
stützten sie. Anders die westdeutschen Kollegen: Ihr
„Sündenfall“ bestand darin, nach 1968 auf einen poli-
tisch blinden Antifaschismus zu setzen, der sie daran
hinderte, sich mit der Realität des kommunistischen To-
talitarismus angemessen auseinanderzusetzen. Deshalb
konnte von tätiger Solidarität mit den verfolgten osteu-
ropäischen Dissidenten keine Rede sein.