Diese Debatten - das zeigt nicht zuletzt der Kollaps des kommunistischen
Systems in Osteuropa 1989/90 - hatten überaus praktische politische
Konsequenzen. Nach dem Zweiten Weltkrieg, aus dem die Sowjetunion
Stalins als einer der Sieger hervorging, erlebte die kommunistische
Bewegung in Frankreich ihren unzweifelhaften Höhepunkt ("Résistance").
Die meisten der tonangebenden französischen Intellektuellen, von
Sartre bis Merleau-Ponty, verteidigten die totalitäre Praxis des
Kommunismus auch dann, wenn sie sich keiner Täuschung über den
Massenterror, die Existenz eines weitverzweigten Lagersystems
und das Gespinst von Lügen und Propaganda hingaben - man war gewissermaßen
Kommunist wider Willen. Ganz anders in Westdeutschland. Nach der
Erfahrung von Faschismus und Nationalsozialismus, aber auch belehrt
durch die drückenden Erfahrungen der kommunistischen "Renegaten"
(ein Wort, das ich ungern gebrauche) von Silone bis Koestler bestand
unter vielen Intellektuellen Einigkeit darin, daß die Ablehnung
und Bekämpfung des Totalitarismus unteilbar sei, daß man genauso
entschieden Antikommunist wie Antifaschist sein müsse.
Vor diesem Erfahrungshintergrund wurde 1950 der "Kongreß für kulturellen
Freiheit" ins Leben gerufen, in dessen Auftrag ich die Zeitschrift
Preuves herausgab.
Ulrike Ackermann, indem sie die vorhandenen Quellen erschließt
und Zeitzeugen befragt, rekonstruiert diese heute fast vergessene
Geschichte gegenläufiger Entwicklungen in Frankreich und der Bundesrepublik.[...]
Wenn ich recht sehe, geht es Ulrike Ackermann in ihrem Buch um
eine umfassende europäische Perspektive, die auch die Gesellschaften
Ostmitteleuropas einschließt. Der Historiker Fritz Stern schrieb
fünf Jahre nach dem Ende der kommunistischen Staatsmacht: "Die
vielen Menschen in Frankreich und anderswo, die Kontakte zu osteuropäischen
Intellektuellen und Künstlern aufrechterhielten, trugen auf eine
Weise, die erst noch in vollem Umfang gewürdigt werden muß, zur
schließlichen Wiedervereinigung Europas bei."
Mir scheint, daß Ulrike Ackermann diese Würdigung überzeugend
gelungen ist.
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